SHARRYLAND
Tizians Verkündigung, Schmuckstück des Doms von Treviso
Ein revolutionäres Märchen
Wo ist
Was es ist und wo es steht
Wenn man von der Piazza dei Signori kommt, sieht man am Ende der Säulengänge von Calmaggiore, die heute eine Einkaufsstraße sind, auf der linken Seite die imposante Fassade des Doms von Treviso. Ein außergewöhnlicher und unlogischer Komplex von übereinander geschichteten Eingriffen, die uns tausend Jahre Geschichte der Stadt erzählen. Eine breite weiße Treppe, die von einem klassischen Tympanon gekrönt wird, führt uns ins Innere, wo sich am Ende des Kirchenschiffs die Apsis befindet, die von zwei Renaissancekapellen flankiert wird. Auf der rechten Seite befindet sich die Malchiostro- oder Annunziata-Kapelle. Hier, im gedämpften Halbdunkel des sakralen Raums, das durch einen eleganten Marmorrahmen hervorgehoben wird, ist Tizians Meisterwerk zu sehen.
Warum es besonders ist
Die Wirkung ist überraschend und involviert uns, weil sie fast theatralisch ist : Der Vorhang hebt sich, und inmitten von imposanten architektonischen Kulissen, Vorhängen und einem karierten Boden mit einer kühnen diagonalen Perspektive erfüllt sich das Mysterium. Die Jungfrau im Vordergrund trägt einen blauen Mantel über einem roten Gewand, und der Engel trägt ein weißes Gewand, wie es der Tradition entspricht, aber alles andere spricht für eine absolute Revolution. Der Engel, der aus einer beleuchteten Wolke im Hintergrund aufzutauchen scheint, überrascht die Jungfrau von hinten, die mit einer Drehung ihren süßen Blick zurückwirft, aber unseren einfängt und uns an der Szene festhält.
Nicht zu übersehen
Schauen Sie sich die Szene genau an, wo ist die wichtige ikonografische Revolution? Tizian vertauscht die Rollen, die Ebenen und die Positionen. Die Jungfrau auf der rechten Seite und der Engel auf der linken Seite befinden sich nicht mehr auf der gleichen Ebene. Die Perspektive, die raffiniert verkürzt ist, gibt der Jungfrau auf der linken Seite die volle Zentralität und lässt den göttlichen Boten auf der rechten Seite im Hintergrund. Das Ergebnis ist neu, dynamisch, aufregend und lässt uns absolut teilhaben.
Ein wenig Geschichte
Das vielleicht wenig bekannte Altarbild (Öl auf Tafel) wurde zwischen 1520 und 1523 von Broccardo Malchiostro, dem Sekretär des humanistischen Bischofs Bernardo de Rossi, bei Tizian in Auftrag gegeben. Die gleichnamige Kapelle wurde 1519 nach einem Entwurf von Tullio und Antonio Lombardo errichtet und von Pordenone mit Fresken versehen. Davor befindet sich eine reich verzierte Vorhalle, die von anderen bedeutenden Künstlern wie Paris Bordon, Girolamo da Treviso und Domenico Capriolo gestaltet wurde. Wie andere Kunst- und Kultstätten in Treviso ist auch diese Kapelle leider Zeuge des dramatischen Bombenangriffs vom 7. April 1944, der ihre Kuppel zum Einsturz brachte.
Neugierde
Und dann der Eindringling! Sie werden sofort die kleine Figur bemerken, die genau in der Mitte der Szene steht und den Moment heimlich zu beobachten scheint. Es handelt sich um keinen Geringeren als den kanonischen Mäzen Malchiostro, der egozentrisch seine Urheberschaft an dem Werk hervorhebt. Der Effekt ist jedoch fast karikierend und erzählt uns von einer Strafe, die für seine Kühnheit verhängt wurde. Schon zu seiner Zeit eine ungeliebte Figur, wurde sein Bild 1526 mit Pech beschmiert und später mehrfach überarbeitet. Der kleine Mann, den wir heute sehen, ist also weit entfernt von Tizians Gnade.
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